Ulti-Preamp

Der korrekte Schaltplan

Der ''ulti.preamp.org'' ist ein diskret aufgebauter Vorverstärker mit Standardbauteilen. Die Schaltung basiert auf dem 1994 vorgestellten Ulti-Preamp von Elektor, wurde jedoch in einigen Punkten an meine Wünsche und Vorgaben angepasst.
Als erstes mussten die extrem teuren, nur schwer beschaffbaren und inzwischen seit einigen Jahren nicht mehr hergestellten Doppeltransistoren MAT02 und MAT03 ersetzt werden. Zwar gibt es inzwischen wieder adäquaten Ersatz, aber der ist auch nicht überall zu bekommen (also wieder extra Versandkosten etc.) und immer noch extrem teuer. Ein einzelner dieser Doppeltransistoren liegt derzeit bei Mouser bei ca. EUR15,00 – für einen Stereoverstärker brauchen wir insgesamt 8 Stück, also sind die ersten hundert Euro schonmal kaputt. Für weniger als den Preis eines einzelnen Doppeltransistors bekommt man aber schon 100 BC550 und 100 BC560! Natürlich muss man sich damit die Arbeit der Selektion selber machen, und man wird sicher auch nicht die Präzision eines Doppeltransistors erreichen (alleine schon wegen der separaten Dies), aber für eine hochwertige Audiowiedergabe sollte es allemal ausreichen.
Und damit sind wir gleich beim zweiten Punkt: Damit man nun nach dem Matchen nicht noch 192 Transistoren rumliegen hat (na gut, ein paar davon braucht man eh noch für den Verstärker...), habe ich die einzelnen Endstufentransistoren durch jeweils 16 ''kleinere'' ersetzt. Das funktioniert erstaunlich gut :) ; schließlich bringt eine solche Konstruktion seine eigenen Probleme und Eigenschaften mit sich. Zum Beispiel kann man jetzt ja den VBE-Spreader nicht mehr mit einem einzelnen Transistor thermisch koppeln. Um dieses Problem zu minimieren, habe ich die Spreader-Transistoren (sind ja zwei in dieser Schaltung) jeweils in die Mitte aus einem Ring Ausgangstransistoren gesetzt. Ausserdem musste ich einige Widerstände entsprechend anpassen; so auch die Emitter-Widerstände, die mit 100 Ohm recht hoch ausgefallen sind. Dadurch ergibt sich jedoch eine wesentlich bessere Temperaturstabilität des Ruhestroms als mit niedrigeren Werten! Für die Ausgangsimpedanz spielt das keine Rolle, zumal diese ja künstlich auf 50 Ohm festgelegt ist.

Thermisch koppeln für beste Performance

Ein weiterer Punkt, der auch von den IPS-Transistoren abhängt, ist das DC-Servo für den Ausgangsoffset. Da die jetzt verwendeten BC550 und BC560 einen deutlich anderen hFE aufweisen als die MAT's, funktioniert die Originalbeschaltung nicht mehr. Der MAT02 (NPN) hat einen hFE um 500, während der MAT03 (PNP) irgendwo unten bei 160-170 rumdümpelt. Da hat der Servo natürlich ordentlich was zu tun. Bei dem BC550 (NPN) von ON-Semi sind wir mit typischen 500 gut dabei, allerdings hat der BC560 (PNP) ebenfalls typische 500! Bei meinem Haufen hatte ich die meisten NPN um 570 und die PNP um 610, also umgekehrte Verhältnisse. Um den Servo wieder in Gang zu bringen, hat es im Simulator gereicht den 100k-Trimmer der Originalschaltung durch eine rote LED zu ersetzen. Damit ist der Regelbereich groß genug um auch deutlich höhere hFE-Differenzen auszugleichen, und auch bei einem Temperaturbereich von 0-60°C gab's noch keinerlei Probleme. Funktioniert in der Wirklichkeit natürlich so nicht...! Ein typischer Fall von ''nicht nachgedacht, sondern nur dem Simulator vertraut''. Da die PNP-Transistoren ja nun einen höheren hFE haben, muss ihnen logischerweise etwas Basisstrom weggenommen und nicht zugeführt werden. Dazu muss der Transistor hinter dem OP ein PNP werden und an die positive Betriebsspannung ran; die zusätzliche LED ist komplett überflüssig und verhindert sogar noch die einwandfreie Funktion. Glücklicherweise ist das nur eine relativ kleine Anpassung, die sich auf der fertigen Platine noch mit recht geringem Aufwand umsetzen lässt. Jetzt arbeitet der Servo auch so wie er soll: Beim Einschalten liegt der Offset je nach Last bei ca. 70mV, sinkt innerhalb einer Minute auf 3mV und pendelt sich dann nach einigen weiteren Sekunden bei ein paar hundert Mikrovolt ein.
Der Rest waren dann noch kleinere kosmetische Anpassungen. So habe ich zum Beispiel den OP07 als Servo-Opamp gewählt, weil er günstig zu haben ist und sicherlich ausreichend präzise. Im Prinzip sollte jeder Unity-Gain-stabile OP funktionieren, sogar ein 741; allerdings hängt dann der Ausgangsoffset vom starken Temperaturgang des OPs ab. Teurere Alternativen gehen selbstverständlich immer, z.B. der neuere OP177, oder andere Präzisions-OPs mit geringem Offset und niedriger Temperaturdrift wie LT1028, LT1168 und Konsorten. Ob's den höheren Preis von mehreren Euros zum 25ct-OP07 wert ist, muss jeder selber wissen.

Die Match-Pappen sauber aufgereiht

Zum Ausmessen der Transistoren habe ich einen Atlas DCA75 Pro von Peak Electronic verwendet. Der einfache hFE-Wert war mir in diesem Falle genau genug. Ich hätte noch von jedem Transistor eine Kurvenschar aufnehmen können und diese dann miteinander vergleichen, aber das war mir dann doch zu viel des Guten. Jedenfalls habe ich mir als kleines Hilfsmittel ein paar Match-Pappen angelegt. Das sind einfach nur Streifen aus Wellpappe, in die ich mit einem Schraubendreher ein paar Löcher gedrückt habe. In die Löcher kamen dann die Transistoren, die jetzt übersichtlich nummeriert sind. Außerdem kommt man mit den Testclips gut an die einzelnen Beinchen ran und muss keinen Transistor mit den Fingern anfassen, was diesen erwärmen und somit das Messergebnis beeinflussen würde. In eine ausgedruckte Tabelle habe ich dann die Messwerte eingetragen. Hat gut eineinhalb Stunden gedauert...

Die erste Platine von oben...

...und von unten

Die Platine habe ich mir bei Dirt Cheap Dirty Boards fertigen lassen. Lochraster währe bei der Komplexität nicht drin gewesen, also blieb nur Doppelseitig mit Massefläche. Für Bilex waren die Bahnen zu fein und Jack & Al hatte ich schonmal, daher kamen jetzt mal die ''dirty'' Chinesen zum Zuge. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, zumal ich jetzt gleich noch ein paar Boards mehr habe, die ich auch günstig abgeben würde ;) .

Der korrekte Bestückungsplan

Das Layout

Der Prototyp

Nochmal

Zwischen den Teilen im Schrumpfschlauch befinden sich kleine Wärmeleitpads

Echte Messwerte gibt's logischerweise erst zu sehen, wenn ich das Teil fertig aufgebaut habe. Die übrigen Teile sind bestellt und unterwegs, wenn nichts dazwischen kommt gibt's also schon bald was zu sehen :) . Bis dahin könnt ihr euch gerne mit der Simulation beschäftigen.

Der erste Messwert!

Im moment liegt das Teil offen hier rum und beweist seine Tauglichkeit als Kopfhörerverstärker. Klirrfaktormessungen mit Kopfhörer als Last sind aber leider nix, weil alles unterhalb etwa 1kHz von einem extremen Mikrofonieeffekt vermurkst wird. Ein erster Test mit SpectraPLUS und 100 Ohm Widerstand als Last brachte folgendes Ergebnis:

6.5dBu (1.636Vrms) an 100 Ohm

Die schwarzen Kurven zeigen den gemessenen Amp (ohne Poti davor, also mit voller Verstärkung), die roten Kurven sind ein Loopback mit dem selben Soundkarten-Ausgangspegel. Wie man deutlich sieht, kann ich bei diesem Pegel nur Rauschen messen und keine Verzerrungen! Zum Vergleich: Eine einfache THD-Messung bei 1kHz bringt etwa 0.0008% mit Verstärker und 0.0003% mit Loopback. Das Ganze funktioniert also einwandfrei, aber die übrigen Störungen sind einfach zu hoch um bei THD+N was erkennen zu können.

ESI Juli@ bei -6dBFS. DUT-Ausgang gemessene 6.570Vrms (16.35dBV oder 9.291V-Spitze) an 1kOhm (900+100 für 9:1 Teiler). Gemessen mit ARTA
Test / Bandbreite 24kHz 24kHz loopback 96kHz 96kHz loopback
THD 1kHz 0.0016% 0.00028% 0.0028% 0.0016%
THD 20kHz 0.004% 0.001%
IMD 4:1 60Hz+7kHz SMPTE 0.0055% 0.00094% 0.0053% 0.0016%
IMD 4:1 250Hz+8kHz SMPTE 0.0064% 0.0013% 0.0059% 0.0013%
IMD 1:1 13kHz+14kHz 0.0013% 0.00031% 0.0025% 0.00062%
TL074 bei -6dBFS und 1k Last
THD 1kHz 0.00095% 0.00028% 0.0025% 0.0016%
THD 20kHz 0.014% 0.001%
IMD 4:1 60Hz+7kHz SMPTE 0.0065% 0.00094% 0.0069% 0.0016%
IMD 4:1 250Hz+8kHz SMPTE 0.0081% 0.0013% 0.0079% 0.0013%
IMD 1:1 13kHz+14kHz 0.0038% 0.00031% 0.0087% 0.00062%

 

Das Spektrum bei 1kHz und 24kHz Bandbreite

Test-Verstärker zum Vergleichen

Um etwas zum Vergleichen zu haben, wurde diese kleine Schaltung zum Leben erweckt. Ich habe quasi genommen, was gerade in der Bastelkiste war – ausserdem wollte ich eh irgendwann nochmal einen Amp mit vielen (16 oder so) TL074 pro Kanal bauen... Natürlich kann die lange nicht so viel Strom liefern wie der Ulti-Preamp, aber bei 1kOhm spielt das keine Rolle. Mit demselben Netzteil und dem gleichen Feedback-Netzwerk sollte die Aussteuerbarkeit vergleichbar sein, was sich als zutreffend herausgestellt hat.
Die Messwerte in der Tabelle oben sprechen für sich. Auch interessant ist das Verhalten beim Übersteuern. Hierbei wurde wirklich nur der Eingang der Verstärker übersteuert; der Ausgang war dank des 9:1-Teilers nicht stark genug, um den Eingang der Soundkarte zu übersteuern (etwa +0.5dBV).

Übersteuerter Ulti-Preamp bei -3dBFS und 0dBFS

Übersteuerter TL074-Testverstärker bei -3dBFS und 0dBFS